Erschienen 2006 im August von Goethe Literatur Verlag in Frankfurt.
Dieses Erstlingswerk von Elisabeth van de Rose entführt den Leser in Welten, die sich auf den verschiedensten Ebenen des Bewusstseins abspielen. Im Mittelpunkt des Romans steht die Figur der Klara, die in das alte Haus mitten in einem verwilderten Park zieht und das gegen Westen hin von steil aus dem Meer aufsteigenden Felsklippen dominiert wird. Der Ort heisst Clearwood und die rund 2000 Bewohner, die vorab vom Fischfang leben, müssen sich erst wieder daran gewöhnen, dass da jemand im Haus bei der Klippe wohnt, das jahrelang still vor sich hin gedämmert hat.
Klara ist eine Frau mit Silberfäden in ihrem Haar, die in ihrem Leben eine lange Wegstrecke zurückgelegt hat und dennoch jugendlich und offen für alles wirkt. In der Begegnung mit dem Pfarrer des Ortes erlebt der Leser ihr Abtauchen in frühere Leben, in Geschichten aus einer anderen Zeit, in immer wieder neuen Personenzusammensetzungen, mit anderen Schicksalen, wobei aus der Ich-Figur bald ein Mann ,eine Frau unterschiedlichen Alters oder ein Kind wird.
Klara bleibt das erzählende Moment , die in nicht zu berechnenden Augenblicken Erinnerungen aufsteigen lässt und sie in lebendigen, eindrucksvollen Bildern erzählt, so als läge keine Zeit dazwischen und wäre das Gewesene das Heutige, die Grenzen heben sich lautlos und wie selbstverständlich auf.
In der Person des Pfarrers findet sie einen Ansprechpartner und Zuhörer, aber auch einen Freund, der sie zu verstehen versucht, dabei vieles erkennt und doch auch vor Rätseln steht. Er spürt instinktiv, dass Klaras Geschichten und Erinnerungen aus anderen Leben mit seinem eigenen Leben zu tun haben, und sie bewegen sich zeitweise in einem Raum zwischen den Welten, in dem Traum und Wirklichkeit eins werden und ihre eigenen Gesetze erhalten.
Erst gegen das Ende des Romans hin ergibt sich Klara im Dorf zu erkennen und erklärt , dass sie das Kind Rose sei, das als einziges übrig geblieben ist, nachdem die Familie durch Krankheit und Not ausgelöscht wurde und dass sie in ihr eigenes Haus von früher zurückgefunden habe, um ihre Vergangenheitsgeschichte in die Gegenwart einzubinden und sich mit ihrem Schicksal zu versöhnen, es anzunehmen. Dadurch wächst sie in ein neues Leben.
Das Spannende und Faszinierende in diesem Roman ist, mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit die Autorin die Ebenen wechselt, Erinnerungsbilder aufsteigen lässt und signalisiert, dass alle Leben und Schicksale zusammengehören, ohne dass sie diese Tatsache ausspricht oder formuliert. Es finden keine Wertungen statt, alles bleibt offen, geheimnisvoll, vertieft, in feinen Bildern und Emotionen festgehalten. Nichts Süssliches steigt auf, keine Verschnörkelungen, alles wirkt schlicht, klar und selbstverständlich. Wunderschön sind die Vergleiche mit der Natur, der Wechsel der Jahreszeiten, das Meer in seinem Kommen und Gehen, die Winde, die Farben und Lichtspiele, eindrucksvoll ist auch die Sprache, poetisch und doch sachlich, mystisch verträumt und doch fassbar, so dass man in den Roman förmlich hineingezogen wird und ihn mit grossem Vergnügen liest. Man erkennt, dass vieles in unserem Leben auf Geheimnis beruht, und dass die Vergangenheit immer auch Gegenwart bedeutet oder sogar schon ein Stück Zukunft. Es ist dies ein fesselndes Buch, das einen beschäftigt und das bleibende Eindrücke hinterlässt.
Madeleine Schüpfer, Kulturjournalistin Schweiz