Das Buch

DSC_0305Nicht alle Menschen glauben daran, dass ein und derselbe Mensch mehrmals leben und dabei auch auf frühere Bekannte oder Freunde stossen kann. Zuweilen wechselt er für ein neues Leben sogar das Geschlecht. Die Autorin fragt nicht nach diesem Glauben. Sie erfährt in ihrem jetzigen Dasein das Aufsteigen von manchmal erstaunlich klaren Bildern, die ihr ganze Lebensinhalte oder einzelne Abläufe früherer Leben daraus in Erinnerung bringen. Indem diese Bilder fast gewaltsam in ihr Bewusstsein drängen, erwecken sie auch die damals erlebten Gefühle. Die Autorin befreit sich davon, indem sie die Geschehnisse niederschreibt. Dabei sucht man vergeblich nach einer chronologischen Folge. Sie schreibt die Bilder so nieder, wie sie eben kommen, wobei sich einzelne auch aus dem gegenwärtigen Leben daruntermischen. Es geht ihr nicht darum, die Bilder möglichst vollständig darzustellen oder gar auszuschmücken. Die früheren Erlebnisse sollen in das heutige Leben transferiert und dort verarbeitet werden. Es geht um eine spirituelle Entwicklung. Wichtig ist schließlich die Befreiung von den teils belastenden Erinnerungen.

Die Rahmenerzählung entrückt das Geschehen an einen imaginären Ort und reduziert den Personenkreis auf vier, teils stellvertretend zu verstehende Hauptfiguren. So steht Frank, der alte Diener, für die Helfer und Berater der Autorin im aktuellen Leben. Helen, die Wirtschafterin, ist eine reale Weggefährtin. Still und ausgeglichen, innerlich jedoch sehr aktiv, verfolgt sie das ganze Geschehen. Der Pfarrer schließlich steht für mehrere Personen, von denen die Autorin glaubt, dass sie ihr in verschiedenen Inkarnationen wiederholt begegnet sind, ihr Leben geteilt oder doch eine wichtige Rolle darin gespielt haben. Mit dieser Vergangenheit zurechtzukommen, erachtet die Autorin als Aufgabe in ihrem jetzigen Leben. Entschlossen macht sie sich auf den Weg, diese schwierige Aufgabe anzugehen. Im Buch bietet der Pfarrer als geeigneter Gegenspieler ihr die Gelegenheit dazu. Die Rahmenerzählung erfüllt im übrigen das Bedürfnis, die Charaktere der verschiedenen Personen in ein ganzheitliches Geschehen einzubringen. Obwohl die einzelnen Bilder sich ungeordnet und bunt aneinanderreihen, ist doch ein roter Faden erkennbar.

Die im jetzigen Leben angegangenen Auseinandersetzungen, gestalteten sich für die Autorin streckenweise sehr hart, was jedoch im Buch nur subtil zum Ausdruck kommt. Sie gibt das hartnäckige Suchen nicht auf. Dies jedoch führt sie allmählich in tiefere Schichten ihres Seins. Schließlich erlebt sie in einer Art Gesamtschau die Vergänglichkeit alles Geschaffenen. Von vielen Erinnerungen befreit, wendet sich nun ihr Wesen der Gegenwart und vermehrt dem Unvergänglichen zu. Eine Sehnsucht aber bleibt, nicht mehr blockierend, sondern als vorantreibende Kraft auf dem Weg zu einem Ziel, das über das rein Menschliche hinauswächst.

M. D.